Freitag, 13. Mai 2016

Ein schlechtes Zeichen



Marie fliegt heute endgültig mit Henrik und den Kindern nach New Orleans zurück. Allerdings werden wir sie aller Wahrscheinlichkeit nach alsbald wieder sehen. Gunnar plant eine Reise Ende Juni, zum Geburtstag der Zwillinge dorthin.
„Wir fliegen allein?“, fragte ich sogleich mit leisen Worten und recht vorsichtig an?“
Gunnar reagierte nicht. Ein schlechtes Zeichen!
Ich wiederholte die Frage nicht.

------------------------------

Gunnar kam, wie erwartet, erst spät. Hatte er es doch versäumt am Morgen seine Arbeit zu erledigen.
„Tom ist ein ausgezeichneter Mitarbeiter. Weißt du das? Gut, dass er bei uns gelandet ist.“
„Okay.“
„Ich dachte eigentlich, du wolltest ihn gegen Imara austauschen.“
Die Frage war mir unangenehm, weil ich noch keine Antwort darauf kannte.
„Ja. Mag sein. Zum einen erschein er mir schlicht und einfach zu dominant. Typisch Alphamännchen.“
Gunnar grinste. „Und zudem noch die Vermutung des Zionisten.“
„Nein, nein. Das ist ein anderer.“, berichtigte ich ihn. „Und zum anderen hatte ich vor die drei Personen, mit denen Derek früher zusammen gearbeitete, zu trennen. Ihnen den Kopf zu nehmen. Denn WAS weiß ich schon über das, was Derek und diese Leute damals taten. Er sagte, sie wären alle Polizisten gewesen. Und es genügt mir, die anderen beiden im Zentrum zu haben. Obgleich ich nichts an ihnen auszusetzen habe. Sie sind doch, in der kurzen Zeit, zu recht wertvollen Mitarbeiten geworden.“
Nun kam ich doch noch auf Imara zurück. „Bisher schob ich die Entscheidung, was nun mit Imara geschieht, vor mir her. Ich werde noch einmal mit Kevin darüber sprechen.“
„Dann beanspruchst du ihn also nicht zurück?“
Ich musste lachen. „Ich denke nicht, dass Tom sich von irgendwem beanspruchen lässt.“

„Komm’. Zieh’ dich an. Wir gehen essen.“, sagte Gunnar dann nach einer Weile. „Es ist schon spät. Hast du keinen Hunger?“
„Wir essen allein?“
Gunnar lachte. „Du musst das nicht immer fragen. Du wirst es sehen.“
Genau genommen hätte ich ob dieser Antwort wütend auf Gunnar sein müssen. Aber wozu? Es hatte ohnehin keinen Sinn. Zudem würde ich mir nur die Nerven aufreiben.
Und.......wir speisten dann doch allein.

---------------------------

Am Abend, als wir so (ohne Alexa!) beieinander saßen, läutete jemand Sturm.
Gunnar ging, um die Tür zu öffnen. Es war Derek. Er war ein wenig aufgeregt. Seine Mutter wäre ins Hospital gekommen und nun gäbe es Schwierigkeiten mit der Versicherung und ebenso mit den Ärzten.
Ich versprach Derek noch umgehend, dass er sich hinsichtlich der Bezahlung keinerlei Sorgen machen müsse. Ich würde alles regeln.
Gunnar bot sich an mit ihm zu gehen, um ihn zu helfen.
„Soll ich mitkommen?“, fragte ich noch.
„Nicht nötig. Es ist schon so spät. Ruh’ du dich besser aus. Ich erledige das schon.“, sprach es und verlies den Raum.

Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bevor Gunnar endlich, ohne Derek zurückkam.
„Ich habe ihm angeboten hier auf der Couch zu schlafen. Wenn er in der Nähe seiner Mutter bleiben will.“
„Und? Nahm er dein Angebot an?“
Gunnar zuckte mit den Schultern. „Offenbar wusste er nicht, was er davon zu halten hatte. Seine Antwort viel wage aus.“
„Wie geht es Dereks Mutter?“
„Sie ist ansprechbar. Ich redete mit ihr. Es war wohl nur der Blutdruck. Sie war ohnmächtig geworden und hingefallen. Derek fand sie zum Glück und rief noch umgehend den Notarzt an.“

---------------------------

Kein Sex am Abend und keiner am Morgen. Was war mit Gunnar geschehen? Im Allgemeinen ist er doch recht unersättlich diesbezüglich. Abwesend des Nachts, war er jedoch ebenso wenig.
Heute Morgen schliefen wir zwar aus, aber Gunnar ging noch, ohne mit mir gefrühstückt zu haben, hinüber ins Büro.
Ich rief Derek an. In knappen Worten erklärte er mir, dass er bereits wieder im Hospital bei seiner Mutter sei.
„Wo schliefst du denn?“
„Bei Alexa auf der Couch.“
In diesem Augenblick fror mir die Stimme ein. Ich keuchte.
„Nein, nein! Rea! Hör’ doch zu! Es ist nicht wie du jetzt denkst. Du kennst mich doch. Und Alexa trägt schließlich Gunnars Kind. Wie kannst du so etwas auch nur ansatzweise denken?“
„Wie ist, wie war es dann?“, fragte ich leise und im selben Moment noch dachte ich, hätte ich doch lieber still gehalten. Aber Derek erklärte es mir ohne ärgerlich zu sein.
„Ich traf sie im Aufzug und wir redeten kurz. Sie bot mir an, in ihrem Apartment zu schlafen. Und da ich euch so spät nicht noch einmal stören wollte....für die paar Stunden.......“
„Gunnar hatte es dir doch angeboten. Oder etwa nicht?“
„Ja schon. Aber....“, er sprach nicht weiter. Blieb mir den Rest des Satzes schuldig.
Ich schwenkte um und entschuldigte mich bei ihm, ob meines unbegründeten Verdachts.
„Wie geht es deiner Mutter? Und was ist aus der Versicherung geworden?“
„Hat Gunnar dir nichts erzählt.“
„Nicht viel.“
„Es geht ihr so einigermaßen wieder gut. Und danke noch einmal für die Hilfe. Es hat sich am Ende alles geklärt. Aber jetzt muss ich wieder..........“
„Okay. Also sehe ich dich heute nicht im Zentrum?“
„Ich glaube nicht.“
„Wo wirst du schlafen?“, vermochte ich mir diese Frage nicht zu verkneifen.
„Ich werde mir ein Zimmer nehmen. Gleich neben dem Hospital. Ich vermute ohnehin, dass meine Mutter in ein, zwei Tagen wieder entlassen wird.“
„Okay. Also...... bis dann.“

------------------------------

Da Gunnar beschlossen hatte, heute bis zum Nachmittag zu arbeiten, fuhr ich zum Zentrum und ging, mit einem Seitenblick zu Imara, in mein Büro. Winkte Kevin zu mir herein und dachte über diesen russischen Juden nach.
Mit Kevin erörterte ich genau diese beiden Punkte. Imara und Sasha Fliess. Brachte meine vage Idee mit ein, die darin bestand, diesen Mann persönlich näher zu kommen, um über ihn mehr zu erfahren.
Gleich anschließend ging ich dann mit Kevin zum Restaurant, wo ich Troels zu uns rief. Der mir berichten sollte, was er bis hier her von Sasha Fliess erfahren hatte.
„Kann Anette mit mir kommen?“
„Nein. Es geht“, hier räusperte ich mich kurz, „um deinen Spezialauftrag. Alles Weiteren später.“ Ich legte auf.

Troels wusste nichts wirkliche Neues über diesen Sasha Fliess zu berichten. Bis auf die Tatsache, dass er nach wie vor viele Fragen stellte. Insbesondere über meine Person.“
„Welches Interesse gibt er vor an mir zu haben.“, fragte ich Troels.
Der lachte. „Er findet dich attraktiv.“
Ich verdrehte die Augen.
„Was ist?“, Kevin breitete die Arme aus und grinste. „Wundert dich das?“
Troels sah uns beide an und lächelte nur.
„Er ist nicht mein Typ.“, warf ich noch als lapidare Antwort hin und sah von einem zum anderen.
„Das will ich hoffen. Dann sei mal schön vorsichtig.“ Ich sah Kevins besorgten Blick und Troels kniff fragend die Augen zusammen.
„Troels weiß ohnehin bereits alles. Du solltest ihn einweihen.“, sagte Kevin zu mir und schaute dann zu Troels hinüber, der immer noch die Stirn in Falten gelegt hatte und fragend von mir zu Kevin sah.
Infolgedessen erzählte ich auch ihm von meiner Idee. Der zweifelte sie selbstredend an. „Mach’ das besser nicht. Wenn er wirklich DER ist, für DEN du ihn hältst, ist es viel zu gefährlich.“
„Was will er mir denn tun?“, widersprach ich ihm. „Ich gebe mich als das Naivchen aus, welches die Männer gern in uns Frauen sehen.“ Ich zwinkerte beiden zu.
„Im schlimmsten Fall, wird er sich noch in Rea verlieben.“ Kevin lachte gerade heraus.
Typisch Kevin. Dachte ich so.
Troels warf noch einmal die Gefährlichkeit meines Vorhabens in die Wagschale und ich wische seine Bedenken mit einer eleganten Handbewegung weg.
„Gleich was auch geschehen mag, du wirst uns dann berichten.“, wendete ich mich an  Troels. Der nickte.....mit einem besorgten Blick. Ich wusste, dass er zweifelt. Genau genommen tat ich es auch. Denn im Augenblick ist mir selbst noch nicht wirklich klar, WIE ich es bewerkstelligen soll, ihn kennen zu lernen. Aber Frauen.....fällt da stets etwas ein. Allerdings ist mir bewusst, in jedem Fall Vorsicht walten zu lassen. Was weiß ich schon von Sasha Fliess und seinen wahren Absichten?

----------------------------

So, nun, zu guter letzt rief mich eben noch Gunnar an und fragte bezüglich des  heutigen Abends.
„Es ist Wochenende. Was wollen wir tun?“
Ich verstand die Frage nicht und fragte Gunnar stattdessen zurück: „Ich dachte, du kommst ins Zentrum, wenn du mit deiner Arbeit fertig bist.“
„Und ich dachte, du kommst wieder nach Stockholm und wir unternehmen etwas.“
„Was ist ETWAS?“, fragte ich provokant und ich bemerkte, wie die Wut in mir aufstieg.
„Ein kleines Treffen mit meinen Brüdern vielleicht? Oder gehen wir einfach nur mit Alexa essen und bleiben dann über Nacht zusammen?“
In diesem Augenblick verstand ich die Welt nicht mehr. Wollte Gunnar mich mit diesen Worten schockieren, sodass ich gar nicht auf die Idee kommen würde zu ihm zu fahren? War dies seine Absicht gewesen?
„Das hast du tatsächlich vor?“ Und hier ließ ich keine Antwort von ihm zu. Sondern sprach sogleich weiter. „Obwohl du weißt, dass ich keine Partys mag. Es mir zu anstrengend ist, weg zu gehen und obgleich ich dich schon viele Male bat, die Zeiten, welche du mit Alexa und mir verbringst, zu trennen.“
„Ich dachte nur. Mir wäre es am liebsten so........“ Gunnars Tonfall hörte sich zaghaft und ein wenig leiser an als zuvor.
„Und ich dachte nur“, fiel ich ihm schroff ins Wort, „wir würden das Wochenende zusammen hier am See, in meinem Haus verbringen.“
Ich hörte wie er ein wenig schnaufte. „Okay. Ich komme dir entgegen.“
„Was wird das jetzt?“, erboste ich mich. „Gedenkst du etwa mit mir zu verhandeln?“
„Na ja. Wenn du es so nennen willst.“
„Das kannst du aber vergessen! Was ist nur mit dir los? Noch vor Stunden warfst du mir vor, die ach so tolle Energie der letzten Tage, die zwischen uns bestand, kaputt zu machen, mit meinen zahlreichen Fragen nach anderen Frauen. Und? WAS tust DU jetzt?“ Ich schäumte vor Wut!
Gunnar räusperte sich und ich hörte ihn atmen. „Okay. Dann bleibe ich heute hier und bin Morgen Mittag bei dir.“
Er ließ in der Tat NICHT von seinen Verhandlungen ab! War ihm diese Zeit mit seinen Brüdern und/oder mit Alexa so immens wichtig. Wichtiger, als mit mir zusammen zu sein?
Ja. Das war es. War meine rasche Schlussfolgerung. Und wozu noch weiter fragen? Oder diskutieren? Erst kürzlich hatte er mit mir genau darüber gesprochen. Ohnehin hatten wir schon viel zu oft über diese Themen gestritten.
Infolgedessen schluckte ich meinen Ärger hinunter und gab ihm das „Okay“, welches er haben wollte.
„Es ist doch nicht so, dass ich nicht mit dir zusammen sein möchte.“, begann ER nun zu debattieren. „Du kannst mich doch gern begleiten und ich würde mich darüber außerordentlich freuen. Glaub’ mir das bitte.“
„Ich weiß.“, erwiderte ich eher gelangweilt, seiner stereotypen Antwort gegenüber. „Ich finde nur, dass es meiner Gesundheit schadet des Nachts durch Kneipen zu ziehen, oder mich auf einer Party deines Bruders durch den Abend zu quälen.“
Gunnar schnaufte. „In dieser Angelegenheit kommen wir offenbar niemals zusammen.“, merkte er an. „Mir ist schon bewusst, dass es deiner Gesundheit nicht zuträglich ist. Deshalb ja die Verhandlungen. Lass mir die paar Stunden für mich. Okay?“, klang es schon eher wie eine Frage. „Ich verspreche dir, dass ich morgen Mittag bei dir bin.“
„Ich weiß. Tue, was immer du nicht lassen kannst.“
„Rea, Rea. Bitte! Jetzt sei doch nicht böse.“
„Ist doch alles in Ordnung so.", beschwichtigte ich ihn. "Du weißt, wo du mich findest. Und HIER, fühle ich mich wohl.“

Aber nichtsdestotrotz, weiß ich bereits, WIE (und mit WEM) ich meine Zeit verbringe. Gunnars Beharren auf seine Stunden für sich und seine Interessen, gibt mir die Gelegenheit, meine Idee in die Tat umzusetzen. Bleibt nur abzuwarten, WIE ich es bewerkstelligen kann, ihn (Sasha Fliess) näher kennen zu lernen.
(Es scheint mir ein rechtes Abenteuer zu werden, (und ich kann es kaum erwarten), welches eine gewisse Spannung in mein Leben bringt.
Wer weiß......was geschehen wird.......

Nun denn.......auf ins Gefecht! Pflegt meine Mutter oft zu sagen, wenn es darum geht, bevorstehende Aufgaben zu bewältigen.