Dienstag, 31. Mai 2016

Nicht in diesem Augenblick.......



Den ganzen Tag war ich im Büro und dachte darüber nach, womöglich doch noch nach Paris, zum Tennisturnier zu fliegen. Als ich mit Sasha auf dem Rückweg von London nach Stockholm war, kam mir bereits dieser Einfall. Abspringen konnte ich allerdings nicht.
Ich grübelte darüber nach, mit WEM ich am liebsten dorthin fliegen würde. Aber darum ging es nicht. Mir schien, ich war doch viel zu eingebunden in feste Strukturen und Männer, um noch frei entscheiden zu können und......ohne einen anderen Mann dabei zu verletzen, wenn ich mit dem einen zusammen war. Hatten sich die Maschen wieder enger gezogen? Man stelle sich nur vor, ich hätte Kevin gewählt? Derek wäre sicherlich auf ihn eifersüchtig gewesen und dies nicht ohne Grund. Nur ist es mir nach wie vor unangenehm, nach seinem Unfall mit Kevin so intim zu sei und ihn dabei auf diese, wie ich finde, beschämende Weise zu sehen. Es bricht mir das Herz, wenn ich nur daran denke wie Kevin seinen gelähmten Unterleib versucht zu betten. Wie könnte ich da neben ihm liegen, ohne dass meine Tränen fließen. Und DAS ist nichts was er braucht. Aufmunterung wäre hier womöglich besser. Aber genau diese benötige ich selbst, sollte ich noch einmal in die Verlegenheit kommen, mit Kevin in ein Bett zu steigen. Er tut mir in der Tat so Leid! Ich würde es gern. Nur, um seinetwillen.
Eine Reise mit Kevin hätte ich als Dienstreise tarnen können. Jedoch auch in diesem Fall hätte Kevins Janina vor Eifersucht getobt. Nein. Zu kompliziert. Zu verworren. Das muss nicht sein. Und Derek kümmert sich um seine Mutter. Vermutlich könnte sie keine ganze Woche ohne ihn sein.
Allein reisen, wollte ich jedoch ebenso wenig.
Vielleicht noch einmal mit Sasha verreisen? Besser nicht.
Wer dann? Jason hatte seinen eigenen Probleme und zudem zwei Kinder zu versorgen. Da war kein Platz für Chillen.
Aberwitziger Weise stellte ich mir sogar vor, Wanja dort zu treffen. Immerhin keine Unmöglichkeit. Auch er besucht gelegentlich Tennisturniere.
Nun, Josh wäre sicherlich gleichermaßen ein überaus zuverlässiger Begleiter. Allerdings gedachte ich nicht, ihm erneute Hoffnungen auf Zweisamkeit zu machen. Das wäre unangebracht.
Troels vielleicht. Aber hier war seine Anette im Weg. Mit ihm wäre ich schon recht gern gereist.
Sicherlich hätte ich jeden vom Sicherheitsteam verpflichten können, jedoch wollte ich das nicht. Infolgedessen ließ ich es sein überhaupt weiter darüber nachzudenken.


Es muss etwa so gegen sechs gewesen sein. Ich hatte gerade noch die letzte Bestellung angewiesen, als Gunnar zur Tür herein stürmte. Er kam mit eiligen Schritten auf mich zu, umarmte mich ungestüm und drückte mich an sich.
„Götter, wo in aller Welt warst du denn?“
Er löste mich aus seiner Umklammerung und sah mich erwartungsvoll an.
Ich antwortete nicht. Wollte nicht antworten. Starrte ihn ausschließlich an. IHN hatte ich hier am allerwenigsten erwartet und ihn gleichwohl nicht in meine Überlegungen mit eingebunden, was Paris betraf. ER würde sicherlich mit mir kommen! Aber das wollte ich nicht. Zumindest in diesem Augenblick.
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben? Dein iPhone nicht abgehört? Ich habe dir mindestens tausend Nachrichten hinterlassen. Warum rufst du nicht zurück?“
Natürlich hatte Gunnar tausend Fragen. Allerdings antwortete ich erneut nicht. Zumindest nicht in diesem Augenblick.....

Auf dem Weg zum Haus redete er weiter und als wir dort angekommen waren, begann ich mit den Erwiderungen und mir wurde schlagartig klar, warum ich bisher seine Fragen noch nicht beantwortet hatte. Zorn gärte in mir und ich hatte ihn bis hier her erfolgreich in mir behalten. Alldieweil ich das Für und Wider abwog, mit Gunnar in ein scharfes Wortgefecht zu geraten. Denn genau DAS würde es zweifelsohne werden. Aber jetzt, war der Zorn kurz davor durchzubrechen.
Wir stritten uns so heftig, dass ich FAST geweint hätte. Aber die Genugtuung ihm meine Tränen sehen zu lassen, gab ich ihm nicht. Ob meine Tränen Gunnar jedoch tatsächlich Zufriedenheit verschafft hätten, bezweifle ich. So herzlos ist er nicht. Und noch immer glaube ich ihm, wenn er sagt, dass er mich liebt. Denn ich weiß nur zu gut, dass er eben ist wie er ist. Gleichwohl er versuchen mag sich zu ändern.
Nun ja, in jedem Fall ging es mir mit dieser Auseinandersetzung nicht gut und ich gedachte sie so rasch wie möglich zu beenden. Das Beruhigen stand allerdings  auf einem anderen Blatt. Es war überaus mühsam. Adrenalin pulste ohnehin bereits zur Genüge durch meine Adern. NICHT GUT!
Gunnar bemerkte dies selbstredend und mahnte, mich doch auf Gleichmut zu besinnen. Nahm mich in den Arm. Küsste und liebkoste mich.
Wir redeten noch eine Weile in ruhigerem Ton weiter. Darüber WO ich war, jedoch NICHT mit wem. Ich sprach nicht einen einzigen Laut über Sasha Fliess. Welchen ich gleichwohl aus meinem Hirn verbannte, damit Gunnar ihn dort nicht fand. Ich erinnerte mich selbst NUR an DIE Bilder, welche mich allein in meinem Haus zeigten, sodass Gunnar sie getrost wahrnehmen konnte, ohne misstrauisch zu werden. Ohne zu sehen. Ich war keineswegs bereit dazu, ihm von Sasha Fliess zu erzählen. Zudem war er/es für mich tatsächlich viel zu irrelevant, als dass es sich lohnte mit Gunnar darüber zu reden oder ganz und gar zu streiten. Das musste nicht sein UND......er musste es nicht wissen!
Überdies gab ich Gunnar zu verstehen, dass er doch bitte meine Worte und Entscheidungen, wie beispielsweise Alexa und mich getrennt zu behandeln, vor allem sie nicht mehr ins Zentrum und zu mir ins Haus zu bringen, wo sie womöglich noch übernachtet, respektieren soll.
Natürlich verstand er was ich wollte. Sprach jedoch auch über seine Sicht der Dinge.
Ich beharrte in jedem Fall darauf, Alexa hier nie mehr in meinem Haus haben zu wollen. Was Gunnar jedoch abschwächte.
„Besuchen darf sie dich doch noch. Schließlich denkt sie, sie sei deine Freundin.“
Ahh! Die Freundinnennummer. Okay. Meinetwegen.
Ebenfalls sprachen wir über ihr Kind. Dass es IHRE Entscheidung war und nicht Gunnars. Welcher sich jedoch nun in der Tat und irriger Weise dafür verantwortlich fühlte. Vor allem sanft mit ihr umzugehen. Damit sie das Kind, nach welchem sie sich so sehnte, nicht wieder verliert.
„Du hast ausschließlich mit Alexa geschlafen?“, fragte ich ihn, als er sich nach einer Weile der Besänftigung anschickte mich auf seinen Schoß zu heben.
„Ja. Nur mit ihr und ich musste vorsichtig sein.“
Ich war noch immer nicht zufrieden und fragte weiter. „Heute Nacht bleibst du hier?“
Gunnar nickte. „Selbstverständlich.“
„Und auch tatsächlich bei mir? Oder....“
„Kein ODER.“, unterbrach er mich. „Ich bleibe ausschließlich bei dir.“
Ich ließ Gunnar gewähren und ich genoss es sogar. Warum denn nicht? Schließlich liebe ich ihn........
Danach redeten wir nicht mehr über die Vergangenheit und wandten uns doch besser der Gegenwart zu. Also....unser beider.

Alldieweil es nun doch eine Weile brauchte, um meine Emotionen herunter zu fahren und das Adrienalis aus meinem Kreislauf zu bannen, surfte ich an diesem gestrigen Abend noch lange im Netz. Schrieb noch ein wenig.......und beruhigte mich dann schlussendlich ganz.
Gleichwohl es einer langen Weile bedurfte, ließ ich meinen Groll gegen Gunnar am Ende gänzlich sein. Es schadete mir nur selbst, wenn ich so eifersüchtig und zornig war. Ich ließ nicht nur Normalität in unser Miteinander, sondern ebenso in mich einkehren. Das tat mir gut. Und Gunnar war ebenso glücklich darüber.
„Es war und ist doch alles in Ordnung. Es gibt doch keinen Grund für diese Streiterei.“ Und dann wieder die Liebesschwüre.......

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Genau genommen hatten Gunnar und ich mit den Gedanken gespielt heute gemeinsam nach Paris zu reisen. Aber keiner von uns beiden hat wirklich die Zeit.
Noch vor dem Frühstück, gleich nachdem ich aufgewacht war, gab ich die wichtigste Bestellung des Monats auf. Unsere veganen Speisen. Ich hatte mir die Unterlagen mit ins Haus gebracht, um es gleich heute Morgen als erstes zu erledigen.
Ich frühstückte mit Gunnar noch im Restaurant und dann ging jeder seiner Wege. Allerdings versprach er mir, sobald als möglich zu mir zurückzukehren.