Sonntag, 24. März 2013

Läuft das Leben nicht ohnehin von allein?



Gunnar kam nicht. Rief an und bat mich zu ihm zu kommen. Er wollte mir ein Taxi schicken. Ich wollte das nicht. Vorwurfsvolle Worte verließen meinen Mund. Gunnar suchte verzweifelt nach einer Lösung. Fand jedoch keine. Weil weder er noch ich bereit gewesen waren die gewählte „Wohlfühl-Zone“ zu verlassen.
Aus welchem Grund sollte ich mich für ein Umfeld entscheiden, in dem ich mich unwohl fühle?
„Ich weiß.“, sagte Gunnar dann. „In manchen Dingen unterscheiden wir uns doch. Aber gerade DAS macht eine gute Beziehung aus. Für den anderen Verständnis aufzubringen, und vor allem ihm zu vertrauen. Du vertraust mir doch? Bist nicht wieder eifersüchtig. Oder?“
„Nein.“, war meine entspannte Antwort, und meine Lippen verzogen sich zu einem kurzen Lächeln.
Die Welt mit Gunnar konnte so überaus reizvoll sein. Jedoch und gleichwohl im nächsten Augenblick sich ins Gegenteil verkehren. Von einem Moment zum anderen. 
Warum tat er das?
Natürlich weiß ich, dass man nicht beständig miteinander sein kann. Das gewisse „Aus-Zeiten“ für eine gute Beziehung notwenig sind. Wozu natürlich ein gegenseitiges Vertrauen gehört.
Vertraut er mir?
In diesem Fall denke ich, vertraut er sich offensichtlich selbst und seinen gedankenleserischen Fähigkeiten. Dessen Ergebnisse, in Bezug auf Troels, er mir gegenüber  nie wirklich erwähnt hat. Nur Troels selbst sagte mir, dass Gunnar alles von Anfang an gewusst hätte.
Dergleichen Gedankengänge langweilten mich zusehends. Alsdann beschloss ich sie gehen zu lassen und Gunnar schlicht und einfach mit einer liebevollen Umarmung zu begrüßen wenn er zurückkam.
Wozu sich das Leben mit unnützen Gedanken erschweren. Meist läuft es ohnehin von ganz  allein.

Ich rief Troels an, duschte, bestellte das Dinner und begab mich erneut auf den Weg zu ihm.
Ich hatte kein Interesse an einem Gespräch mit Sarah Sjögren und ebenso wenig das Verlangen nach Gesellschaft. Ohnehin war es angebracht vorsichtig zu sein. Man musste mich nicht notweniger Weise schmusend mit Troels beim Spazierengehen sehen. Oder wie wir uns während des gemeinsamen Dinners lächelnd in die Augen sahen. Scherzten, lachten und fröhlich, ja beinahe verliebt miteinander umgingen.
Das ging niemand etwas an.


„Darf ich?“, fragte Mads und wartete auf meine Antwort, ob er sich zu uns setzen durfte.
„Natürlich.“, sagte ich. „Du bist schließlich hier zu Hause. Nicht ich.“
Wir verbrachten einen so fabelhaften Nachmittag mit Gesprächen über Filme und Literatur. Über die Tiefen des Herzens und die Tiefe des spirituellen Erfahrens.
Es gab viel zu erzählen, und das obendrein noch in Deutsch. Denn beide, Troels, genauso wie Mads sprechen perfektes Deutsch. Wie angenehm!
Ich scheine mich in Mads getäuscht zu haben. Mein erster Eindruck war falsch. Er mag das Leben in vollen Zügen genießen, sich betrinken und allerlei Unfug treiben, was Troels bereits in große Schwierigkeiten brachte. Dennoch kann er durchaus ebenso unterhaltsam sein. Nur vertrauen, so wie Troels, würde ich ihm nie.

Am Abend wagte ich mich gemeinsam mit Troels zum Abendprogramm des Zentrums. Damit es nicht zu offensichtlich erschien, begleitete uns sein Bruder Mads.
Dennoch warf uns Christine einen verächtlichen Blick zu, als sie uns sah. Gerade so, als wüsste sie Bescheid.
Und wenn schon!
Was wusste ich denn, was Gunnar in Stockholm so unternahm. Was irgendwie einer Ausrede gleichkam.
Dennoch, es war seine Entscheidung gewesen. Nicht die Meine. Er hätte nicht weggehen müssen.

Erneut verbrachte ich die Nacht bei Troels, in der wir NICHT miteinander fickten. ER wollte es nicht. Ohnehin war ich am Abend zu müde gewesen und am heutigen Morgen holten mich die Schmerzen ein. Hinzu kam überdies noch eine getrübte Stimmung.
Vor etwa einer Stunde begleitete mich Troels zu unserem Haus zurück und ließ mich schlussendlich allein. Damit ich nun auf Gunnar warten und mich auf ihn vorbereiten kann. Er wird sicherlich in Kürze hier eintreffen.

Am Ende ist immer Reue, ein schlechtes Gewissen und Unsicherheit. Zweifel, ob Gunnar nicht doch..?
Und möglicherweise würde ich mich mit Troels nicht mehr treffen, wenn Gunnar bleiben und seine „Abstecher“ in die Welt seiner Brüder unterlassen würde.