Sonntag, 2. Juni 2013

„Experimentelle“ Gedanken und deren „Verwirklichung“



Siv. Was soll ich nun tun? Sie davon jagen? Sie zu meiner Freundin erklären?
Gunnar hat sie hier her geholt und lässt sie hier wohnen. Rechtfertigt es mit „Troels“.
Natürlich hat sie einen Job und bezahlt die Pacht. Möglicherweise erlässt er ihr diese gleichwohl. Was weiß ich denn schon, über „Abmachungen“, die getroffen wurden, während ich in Berlin Kevin suchte und fand. Wie clever von Gunnar. Nun hat er Gespielin samt Spielzimmer gleich „in der Nachbarschaft“. Außerordentlich bequem.
Jedoch, was lamentiere ich? Er sucht schlussendlich nach (s)einen Lösungen. Wie er mir versprach. Wie nobel von ihm. Ich werde ihm den „Orden des Engels Gabriel“ verleihen. Ihm vertrauen, genau so, wie er es beständig intoniert, und ihm glauben schenken, wenn er sich stets wiederholt: „Alles ist gut.“
Es scheint, als müsse ich mich mit dieser „gewöhnlichen“, niederen (ordinären, abartigen)  Nebenfrau(?) abfinden. Die nun gleich einen Steinwurf weit entfern wohnt.
Es provoziert mich und die Verlockung ist groß, schlicht und einfach zu ihr zu gehen.
WAS jedoch würde passieren?
Nein! Ich werde mich nicht selbst zum Narren machen.
Eine anderer, originellerer Plan wäre es, sie zu meiner Kameradin, nein, zu meiner Freundin zu erkläre und mit ihr „Frieden“ zu schließen. Sie sogar zu (m)einer  „Schwester“ zu erheben.
Wie überaus komisch dergleichen Vorstellung doch für mich wäre. Jedoch des „Spaßes“ halber zu erwägen. Gunnar würde sicher seine wahre Freude daran haben.
Wenn es mich nicht mehr belustigt, könnte ich das „Experiment“ zu jeder Zeit beenden. Was einer Genugtuung gleichkommen könnte, sie metaphorisch von einer „Klippe zu stürzten. Dasselbe Schicksal gedenke ich Lisa Anekelea zu. Ich werde ihr den Mann entreißen. Ersinnen muss ich es mir nicht mehr. Dies tat sie bereits selbst.
Mein „Rache-Plan“ per se. Die „Kriegerin des Geistes“. Was natürlich eine völlig andere Bedeutung besitzt, als die, die ich gedenke daraus zu entwickeln.
Wenn ich schon einmal bei dergleichen Possen bin, sollte ich vermutlich ebenso den „Eintritt“ in den Frauenkreis erwägen. Ausschließlich zur puren „Zer-streuung“!

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Mary scheint Recht zu behalten. Was meine Gesundheit anbelangt. Es geht mir ein wenig besser. Seit zwei Tagen.
Gunnar hatte sich einen ruhigen Vormittag gegönnt. Vorzugsweise mehr oder weniger im Bett. Dann fragte er, ob alles in Ordnung sei, und dass er nach dem Dinner ins Office ginge. Ich könne ihn ebenso begleiten. Wenn ich es wollte.
Nein. Wollte ich nicht. Zumindest vorerst nicht. Vielleicht (??) später. Als „Überraschung“ womöglich.

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Um meine Überlegungen in die Tat zu verwandeln, ging ich als erstes die Idee mit dem „Frauenkreis“ an. Ich dachte an ein „Geschenk“, um mich dort einzubringen. Präsente sind stets gern gesehen und kommen gut an.
Wozu dieser Siv zu viel Bedeutung beimessen? Ich kümmere mich besser um mich selbst (und meine eigenen „Pläne“).
Sodann ging ich am Nachmittag daran Emilia Stephansdottir zu suchen. Ihr Häuschen war verschlossen. Ich fand sie nicht und ging zu Elise, die gerade dabei war die Veranda zu putzen. Ihre beiden Männer Leon und Nico, die Brüder sind,  halfen ihr dabei. Im selben Augenblick kam diese Deutsche, Ana Janowski vorbei. Elise bat uns beider herein. Die Männer putzten indes weiter.
Ana schien des Öfteren dort Gast zu sein. Sie nahm sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich in einen Sessel gleich neben dem Tisch. Elise bat mich ebenfalls Platz zu nehmen.
„Was willst du denn von ihr?“, fragte sie und reichte mir ein Glas, welches ich entgegen nahm. „Tafelwasser bitte.“,  bat ich zügig. „Ich trinke kein Bier.“ Die beiden sahen sich an. 
Das sie mich duzte überhörte ich beflissen.
„Okay.“
„Emilia ist seit beinahe einer Woche nicht mehr hier. Gunnar“, sie sah mich an reichte mir eine Flasche Sprudel, „dein Mann, spedierte ihr ein Ticket, damit sie in die Weiten des peruanischen Regenwaldes zu ihrer Tochter Nova fliegen konnte." 
Sie wäre nun Großmutter, (natürlich!) eines kleinen Mädchens geworden. Wie sie mit stolz geschwellter Brust verkündete. Sprach Elise weiter. Allen, die es hören, und auch denen, die es nicht hören wollten, hätte sie es verkündet. Als hätte sie einen Anteil an der „Entstehung“ der Enkelin. Sie glich in ihrem „Frauenkreis“ beinahe einer Predigerin. Wie Elise betonte. Verstand andere Frauen im Einzelnen jedoch nicht wirklich. Insbesondere, dass jeder Mensch Worte anders definiert als sie. Sinnlose Haarspaltereien wären entstanden und im Grunde sei man doch nicht wirklich böse darüber, dass sie es eine kleine „Auszeit“ mit ihr geben würde.
Fanatismus kann in der Tat ätzend sein. Gleichgültig in welche Richtung er sich bewegen mag. Was ich durchaus verstehen kann.
Man könnte es ebenso „Sophismus“ nennen. Jedoch finde ich es überaus merkwürdig, dass die Bedeutung dieses Wortes ausgerechnet mit dem Wortstamm der Göttin Sophia gleichgesetzt wird, welche doch genau genommen für „Weisheit“ steht und die Schöpferin allen Lebens sein soll.
Was jedoch nun allenfalls gleichgültig ist. Denn Gunnar bezahlte ihr offensichtlich bereitwillig das Ticket, um ihre Enkelin face to face zu inspizieren.
Nun. Davon hatte ich ebenfalls noch keine Kenntnis.
Was würde sich mir noch alles offenbaren?
„Lisa Anekelea hat nun ihren Platz eingenommen.“, sagte die noch hinzukommende Oliva zu mir und in die Runde. Es wäre gut, dass sie zurückgekommen sei. Mit ihr würde man sich besser verstehen.
Ich erwähnte so rein beiläufig dem „Frauenkreis“ beitreten zu wollen. Selbstredend mit einem „kleinen Buffet“. Was man wohlwollend, mit einem Raunen aufnahm. Und just in diesem Augenblick kam Lisa zur Tür herein. „Ich dachte, wir treffen und bei dir, Olivia.“, sagte sie und sah Olivia abwartend an. Sie stand noch immer in der Tür. Ihre beiden Hände hatte sie in die hinteren Hosentaschen gesteckt und sah einer nach der anderen an. „Die anderen sind bereits dort.“
Elise und Olivia erhoben sich. „Kommen sie mit?“, fragte mich Olivia.
„Natürlich. Warum nicht.“ Ich blieb ernst und tat überaus seriös. Im Inneren musste ich schmunzeln. Wie leicht es doch war, genau DAS zu erreichen, was man ersann. Gleichwohl ich ein minimales Quantum an Misstrauen zu bemerken schien.
Gleichgültig. Ich war „in der Spur“.

Bei Olivia angekommen, gingen wir zu Kaffee und Gebäck über.
Ich hingegen, hatte die Küche bereits angewiesen für den Abend ein kleines Büfett zu errichten und gegen sieben Uhr in Olivias Haus zu bringen.
Menschen mit Geld zu manipulieren viel mir ebenso leicht wie mein Äußeres in die Waagschale zu werfen, um meine Ziele zu erreichen. Gleichwohl dies nicht edel sein mag. Jedoch diente es im Augenblick jedenfalls, und vorerst meiner „Unterhaltung“.
Ich dränge mich nicht in den Vordergrund. Hörte aufmerksam (aus dem Hinterhalt) zu.  Frauen waren bisher stets Konkurrentinnen für mich gewesen. Daher fühlte ich mich wie in einem „feindlichen Lager.“
Nun, mich mit einer „guten Miene zum bösen Spiel“  zu maskieren, war lange Zeit mein Job gewesen und ist es noch immer in vielerlei Belangen.

Als es Abend wurde und die Speisen kredenzt wurden, dachte ich Gunnar. Wo würde er sein? Und als hätte er, wie gewöhnlich, meine Gedanken erraten, läutete mein iPhone und er fragte wo ich sei. Ich erzählte in knappen Sätzen von meinem „Nachmittag im Frauenkreis“ UND, dass ich gedachte noch ein Weilchen zu bleiben.
Gunnar schien erstaunt. „Ja. Natürlich. Wenn du meinst.“
„Ich komme dann etwas später zum Haus.“
„Nein, nein. Ich hole dich ab.“
„Selbstverständlich. Du hast Recht.“ Welch „noble Geste“. Dachte ich. Die Frauen sollten schließlich sehen, was für einen charmanten Ehemann ich mein eigen nennen darf.
Meine Pläne sahen jedoch etwas anderes vor.
Ich entschuldigte mich kurz und eher unbemerkt bei den Frauen, die sich an dem köstlichen Mahl ergötzten. Sagte, ich komme alsbald zurück und ging mit eiligen Schritten zum Office.
Gunnar wiegte sich gewiss in Sicherheit. Dachte ich während ich ging und hoffte ihn in flagranti zu ertappen. Was natürlich nicht umgehend gelang und ebenso wenig wie ich es mir vorstellte. Offensichtlich kam ich zu spät. Da war niemand mehr. Alles war dunkel. Die Räumlichkeiten verschlossen.
Ich prüfte noch die Tür zum oberen Stockwerk, wo sich Gunnars „Spielzimmer“ befand. Sie war ebenfalls abgeschlossen.
Ich ging nach draußen und begab mich auf den Weg zu Siv. Sah noch einmal zurück, um mich zu vergewissern, dass kein Licht im oberen Stockwerk brannte und beschleunigte meine Schritte, sodass ich innerhalb einiger Minuten an ihrem Hausschen angekommen war. Dort sah ich Licht.
Ich spähte durch das Fenster hinein. Da war niemand. Dann sah ich Siv, die mit einem Badetuch bekleidet aus der Dusche kam. Sonst schien dort niemand weiter zu sein.
Folglich ging ich zurück zum Frauenkreis. Übte mich dort ein wenig in niederer Konversation und wartete bis Gunnar (seinen Auftritt als fürsorglicher und liebevoller Ehemann hatte) kam, um mich abzuholen.
Ich verabschiedete mich für diesen Abend von den Frauen. Bedankte mich für ihre Freundlichkeit und Gastfreundschaft. War höflich und zuvorkommend, wie man es von mir erwartete. Selbstredend ein wenig zurückhaltend und gleichwohl süffisant. Jedoch nur „ein wenig“!

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„Alles gut?“, fragte Gunnar auf dem Weg zu unserem Haus. Sich offensichtlich an meinem neuen Interesse am Frauenkreis erfreuend.
„Ja.“, antwortete ich lächeln meine wahren Gedanken verbergend, indem ich an die Gespräche mit den Frauen dachte.
Gunnar lächelte zurück und wir gingen Arm in Arm nach Hause. Wo ich erfuhr, dass er noch schwimmen gewesen war. In der Zeit, während ich ihn im Office suchte.

Ich begab mich an mein Notebook. Gunnar sah fern. Später setzte ich mich zu ihm, lehnte meinen Kopf an seine Schulter, kuschelte und schmuste und die Welt war (vordergründig) in Ordnung so wie sie war.

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Sex gab es keinen. Nicht einmal den Anflug von dessen.
Am Abend eher Erholung und dann Müdigkeit.
Am Morgen Kuscheln und der Satz: Wir müssen nicht jeden Tag miteinander ficken. Ich halte es auch ein, zwei Wochen ohne aus.“ Ein Lächeln. Ein Kuss.
Erleichternd zu hören. Jedoch weckt dies ebenso mein Misstrauen. War da am gestrigen Nachmittag etwa doch eine Session mit Siv? Kam ich zu spät, um sie zu ertappen? Oder war tatsächlich (noch) nichts?
Möglicherweise zeigt er sich gleichwohl so verständig, alldieweil ein Fußballspiel und ein Feiertag bevorstehen?
Ebenso der Hinweise, die Ermahnung den Fokus vermehrt auf die Spiritualität zu lenken, und möglichst dort ebenso zu verbleiben. In diesem Sinn zu leben. Was er mir bereits seit langem zu vermitteln suchte.
„Mary und Tate´ogna nita pehin werden uns heute Nachmittag besuchen.“ Gunnar grinste. Weil er genau wusste, dass ich Gespräche mit Mary immer noch viel mehr als Tortur als eine Bereicherung wahrnahm.
„Es wäre gut, wenn du sie dauerhaft ertragen könntest.“ Er zwinkerte mir zu und das Wort „dauerhaft“ hatte er ganz besonders betont.
„Warum?“, fragte ich widerwillig. Obgleich ich die Antwort bereits kannte.
„Muss ich dir das tatsächlich erklären?“
„Ja.“, blieb ich trotzig.
Gunnar lachte. „Okay. Was nutzt ein einziger Tag. Oder vielleicht zwei. DIE hast du schnell vergessen, und in gleichem Maße Marys Worte. Soll eine Gewohnheit, eine Umstellung, eine Denkens- und Lebensumkehr stattfinden, was du zweifelsohne nötig hättest“, dabei sah er mich viel sagend an, „ dann wären mindestens vier Wochen notwendig. Und dies möglichst ohne jegliche Ablenkung.“
„Nein.“
„Doch.“
„Mein „nein“ bezog sich auf meinen Widerwillen solcherlei Situationen gegenüber, die ich als Zwang empfand.
„Ich weiß. Ich weiß.“, bemerkte Gunnar, der natürlich meine Gedanken las. „Aber es macht Sinn und hat eine Bedeutung. Am Ehesten für dich selbst. Du wehrst dich, dich selbst und deine eigene Spiritualität zu finden, was mit ein wenig Mühe und Zeitaufwand verbunden ist. Das kann man nicht im Flug erledigen.“ Seine Hand ahmte das gleiten eines Flugzeuges nach, und sein Mund ließ ein lautes Zischen hören.
„Mir fehlt die Motivation.“, sagte ich bewusst herausfordernd.
„Aus diesem Grund dachten wir Tate´ogna nita pehin könnte dir in dieser Hinsicht behilflich sein.“ „Bei den Worten behilflich sein, malte Gunnar imaginäre Anführungszeichen mit den Fingern in die Luft. „Aber du beachtest ihn ja kaum.“
„Soll ich mich etwa in ihn verlieben?“, tat ich bewusst brüskiert.
„Nein. Natürlich nicht. Aber du lernst von Männern offensichtlich besser als von Frauen. Wir brauchten ein männliches Pendant zu Mary. Frauen sind dir suspekt und du siehst sie viel mehr als Konkurrentinnen an.“ Gunnar fixierte mich. „Deshalb war ich gestern schon einigermaßen erstaunt, dass du dich in die Mitte von so Vielen  begabst.“

Mir ist am Sonntagmorgen wahrlich nicht nach solcherlei Debatten.
Ich pustete Luft durch meine Lippen. Mein Hirn schaltete auf Durchgang. Mein Körper entspannte sich und sank in sich zusammen.
„Siehst du.“, sagte Gunnar, „Bereits nach wenigen Sätzen lässt deine Aufmerksamkeit nach.“
„Und wenn schon.“