Montag, 3. Juni 2013

Misstrauen ist anstrengend – Vertrauen ist leichter



Noch immer grübelte ich über den Sex, oder besser, über keinen Sex mit Gunnar nach. Ich lief im Zimmer hin und her mit einer Tasse Tee in der Hand, welchen mir Gunnar aufgrund meiner Magenbeschwerden empfohlen hatte.
Immer wieder sah ich aus dem Fenster. Zu dem gegenüber stehendem Haus. Indem Siv sich eingenistet hatte.
Hatte sie Gunnar bereits zufrieden gestellt? Mutmaste ich. Da er keinerlei Forderungen an mich stellte.
Nicht das er lustlos gewesen wäre. Nein. Ich fühlte die zärtliche Berührung seiner Hände. Sein Lächeln. Seine Liebkosungen.
Wollte er mich nur nicht drängen?
Es war schier zum Verzweifeln. Ich schnaufte.
Misstrauen ist anstrengend.
Vertrauen ist leichter.
Von meinen vorgestrig erdachten Plänen, konnte ich ohnehin niemand erzählen.

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Gunnar wich mir während des gesamten gestrigen Tags nicht von der Seite.
Wieder und wieder mahnte er, ich solle ruhig bleiben. Vor allem „atmen“. Ich würde nicht einmal bemerken, dass ich erneut und immer noch den Atem oft anhielt und vor allem zu flach atmete.
„Da ist keine Ruhe in dir.“, sagte er. „Du bist immer angespannt. Aufgeregt. Unruhig. Gerade so, als wärst du beständig in Lebensgefahr. Das ist kein Zustand für die Dauer.“
Ich biss mir auf die Lippen. Wusste, dass er Recht hatte. Er hatte mich bereits so oft darauf hingewiesen. Zuweilen dachte ich daran. Aber meist vergaß ich es.
„Exakt DAS meine ich, wenn ich von einer Wandlung deiner Gewohnheiten spreche. Es dauert seine Zeit, und DIE musst du dir nehmen. Vor allem, wie Mary bereits sagte, wenigstens vier Wochen Disziplin halten. Dann hat man die neuen Gewohnheiten in den Alltag integriert. Was nichts anderes bedeutet, als dass du mindestens und dringest vier Wochen durchhalten müsstest.“
„Was durchhalten?“, stellte ich mich unwissend.
Gunnar griff sich an den Kopf und verzog das Gesicht.
„Du weist genau, was ich meine.“

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Mary und Tate´ogna nita pehin trafen gegen halb drei bei uns ein.
Ich klagte über Gelenk- und Magenschmerzen in diesem Augenblick.
„Hat sie wieder Fleisch gegessen?“, fragte Mary
„Ja. Einen Schweinespieß mit Peperoni.“
„Und scharf noch obendrein!“ Sie runzelte die Stirn und ihr Kopf zuckte kurz als wolle sie ihn hin und her schütteln. Und schon war ich mitten drin. In der „2. Lehrstunde“.

Sie wiederholte Einiges, von dem, was sie mir bereits das letzte Mal erzählt hatte. Es ging um Basen und Säuren im Körper. Dann begann sie mit einer Thematik, welche mir bereits von Gunnar bekannt war.
Es ging um Schwingungen. Das ausnahmslos alles schwingt. Auf unterschiedliche Art und Weise. Gleichgültig ob Materie, Gedanken, Farben und lebendiges oder für uns nicht lebendiges.
Jeder Mensch hätte seine ganz spezielle Schwingungszahl. Diese sollte bestenfalls mit der Gegend, in welcher man sich aufhält übereinstimmen. Wenn nicht, wäre das oft der Grund für das Gefühl „am falschen Platzt“ zu sein. Man würde sich nicht wohl fühlen.
Ebenso unwohl würde man sich Räumen fühlen, wenn die Frequenzen der Farben mit den Farben der eigenen Aura nicht übereinstimmen. Daher wäre es von Vorteil sich mit allem zu umgeben, was in Harmonie mit einem schwingt.
„Komm. Fühle diesen Stein.“ Sie legte einen hellblauen, etwas zwei Zentimeter großen Stein in meine Hand und sah mich lächelnd an.
Ich zuckte mit den Schultern.
„Nun gut. Ich sehe schon. Wir müssen mit dem Urschleim beginnen.“
„Ja.“, stimmte Gunnar zu. „Sie hört nicht auf DAS, was ich ihr sage, und wenn, dann nur für kurze Zeit. Selbst mit der Atmung müssen wir immer wieder von neuem beginnen.“
„Es ist nicht leicht“, sprach Mary weiter, „innerhalb zweier Stunden etwas festzulegen, was dir wahrhaft von Nutzen ist, Rea. Vor allem ist es in der Tat dringlichst von Nöten, deine Zeit im www zu begrenzen.“ Sie sah mich abwartend an und ich wollte bereits mein Veto einlegen, als mir Gunnar zuvor kam. „Möglicherweise wird es euch gelingen. Ich hatte bedauerlichweise noch keinen Erfolg damit. Im Gegenteil. Am Ende sitze ich mit meinem Notebook neben ihr.“ Gunnar verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und alle lachten.
Tate´ogna nita pehin kratzte sich am Kopf und zog die Stirn, gleich Mary in Falten. Er hatte ohnehin noch nicht sehr viel mit mir gesprochen. Was mir bereits seit seiner Ankunft aufgefallen war.

Mary begann erneut über Säuren und Basen zu reden. Über Vitamine und Nährstoffe. Mineralien und anderes „Zeugs“. Wie sie es nannte.
Der Körper sei Tempel der Seele.
„Sein Werkzeug.“, warf ich kurz ein.
„Oder so.“, sie lächelte. „Er ist dafür da, die Welt in der du lebst zu erfahren.“
Pflege und Reinigung sei daher wichtig. Ebenso die Nahrung und das zu viel Fleisch zu Tumoren führen könne. Wir würden schließlich die Hormone der Tiere mitsamt ihrem Fleisch verzehren, die sie in Todesangst und im Kampf um ihr Leben, wenn sie geschlachtet würden, produzierten.
Man müsse auf so vieles im Leben achten, um in Harmonie zu sein. Gestand sie lächelnd und sprach von Farben, Klängen, Windrichtungen, Mondphasen, Gerüchen und der Qualität des uns umgebenden Lichtes.
„Alles Lebendige und Nichtlebendige besteht aus unentwegt schwingenden Molekülen. Einige dieser Moleküle bewegen sich sehr langsam. Andere wiederum vibrieren mit einer rasenden Geschwindigkeit. In jedem Individuum aber existiert ein hochempfindlicher Rezeptor, welcher die gesamte Skale seiner verschiedenen Frequenzen überwacht. Diese fein abgestimmt Funktion hat ihren Sitz in der Epiphyse. Oder auch Zirbeldrüse. Einem Teil des Zwischenhirns.“
„Phhuu!“, entfuhr es mir. „Bist du eine Ärztin? Oder Ähnliches?“, bemerkte ich angesichts der doch überaus fachgerechten Ausdrucksweise.
„Nein. Ich habe nicht einmal studiert.“ Sie lachte. „Intelligenz geht nicht immer mit wahrem Wissen einher.“
Im Anschluss kam sie auf ein für mich unliebsames Thema. Über welches ich bisher mit Nichten bereit gewesen war nachzudenken. Es ging um Ursachen- und Hintergrundforschung für Verhaltensweisen und Krankheiten.
Da es offensichtlich nicht zu übersehen war, dass mir solcherlei Gesprächsstoff unangenehm war, kam sie auf die Aura des Menschen zurück. „Alle besitzen so eine energetische Hülle. Lebende Organismen weisen eine größere und farbigere Aura als unbeseelte Dinge auf. Es sind die Aktivitäten der verschiedenen Organe, die die Farbvariationen und Bewegung der Aura verursachen. Jedes Geschöpf besitzt eine Aura lebendiger Energie, die seinen physischen Körper umgibt. Ihre Erscheinung steht im direkten Zusammenhang mit der seelischen und körperlichen Verfassung ihres „Trägers“.  Indem sie den momentanen Gesundheitszustand des Menschen widerspiegelt,  kann die Aura sowohl allgemeine Störungen als auch eng umgrenzte Krankheitsherde anzeigen.“
Mary seufzte. „Eines Tages, so hoffe ich, wird all das vergessene Wissen wieder in die Medizin einfließen und den Menschen zugute kommen.“
„Was meinst du“, fragte sie direkt in meine Richtung gewand, „welche primäre Aurafarbe hast du?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Warum sagst du es mir nicht schlicht und einfach.“, wurde ich ungeduldig.
Sie blieb gelassen und lächelte. „Orange, gelb und ein wenig lila sehe ich ebenfalls. Da“, sie zeigte mit ihrem Finger in meine Richtung, „an deinem Kopf. Und wenn du verliebt bist, sehe ich das auch.“
Oh! Ihr Götter. Noch jemand, vor dem ich alles verbergen muss. Dachte ich, und Tate´ogna nita pehin sah mich an und lächelte wissend.

Die Belehrungen nahmen kein Ende bis sie am Abend gingen und zurück zu Erik fuhren.
„Es ist unmöglich dies alles zu behalten.“, sagte ich zu Gunnar. Mir schwirrte der Kopf.
Ein Vergleich von Gunnar zu Gabriel kam erneut. Nun. Meinetwegen.Was hatte mir Mary nicht alles von Gunnar und Gabriel erzählt? Die „Realität“ sieht ein wenig anders aus. Wenn man sie lebt.

Es blieb wenig Zeit für Gedanken an Troels, Kevin oder andere an diesem Tag.
Wieder und wieder wurde mir bewusst gemacht, dass mein Augenmerk besonders und gezielter auf meiner Gesundheit liegen sollte. Es wäre nötig, mich vermehrt auf mich selbst zu konzentrieren und nicht auf unwichtige Dinge wie das Notebook, Moden, Make up und die neusten Moden.
„Es ist völlig unnötig, dass du dich speziell für die Nacht noch einmal schminkst.“, hatte Gunnar in diesem Zusammenhang eingeworfen.
Überdies bemerkte ich, dass Mary und Tate´ogna nita pehin einen positiven Einfluss auf Gunnar ausübten. Und es ist, wie ich vermutete kein böser Wille, dass Gunnar im Augenblick nicht mit mir fickt. Er möchte mich schonen. Zu nichts drängen. Wir sprachen darüber. Ebenso sprachen wir erneut darüber, dass ich mich „hier“ kürzen fassen sollte. Wie er sagt.
Ich weiß.
Es ist jedoch „meine Art zu schreiben“.

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Heute Morgen, während ich mit Gunnar frühstückte, rief überraschend Kevin an.
Er sprach mit uns beiden und war gut gelaunt. Seine Frau hätte das Haus vor einigen Minuten mit dem Kind verlassen und er wollte die Gelegenheit mich anzurufen nicht verstreichen lassen.
Ein Lächeln scheint sich auf meinem Gesicht festzubeißen. Enjoy!