Donnerstag, 4. Juli 2013

Infamie, Wandel und Neuordnung



Es war wenig Zeit am gestrigen Morgen. Der nächste Reiki Termin stand an. Gleichwohl ein Arztbesuch. So war ich völlig entnervt, als ich  am Nachmittag zurück zu meinem Haus kam.
Marie hatte offensichtlich diese Zeit genutzt, um sich in Wut und Zorn zu steigern. Denn als ich die Küche betrat, entlud sich dieser vollends und unerwartet auf mich. Es schien sogar, als wolle sie tätlich werden. Ich verstand nicht warum. Sie schrie mir absurde und unsachlichen Bemerkungen entgegen.
„Du Schlampe wolltest mir schon immer die Männer stehlen. Hast mir nie einen gegönnt. Sie sind alle auf dich abgefahren. Mich nahmen sie nur als nebensächlichen Gratis Fick. Nicht mehr. Keiner hat mich geliebt.“
Und so weiter.
Ich schüttelte den Kopf. Verließ beinahe verängstigt und dennoch wutschnaubend die Küche. Ging aus dem Haus und begann zu laufen.

-------
Im Zustand der Katharsis lief ich schlicht und einfach in eine beliebige Richtung. Ohne Ziel. Ohne die Umgebung wahrzunehmen. Ich lief und lief und Maries Worte waberten mir noch immer wellenartig durch den Kopf. Einmal laut. Einmal leise.
Ich bemerkte nicht einmal, wie ich mich verausgabte. Wie meine Schritte immer langsamer wurden. Denn ich war mit meiner Kraft am Ende. Meine Beine bewegten sich mechanisch vorwärts. Selbst das bleierne Gefühl und die Krämpfe nahm ich kaum wahr. Ich schluchzte und weinte. Stolperte und taumelte. Strauchelte am Ende und ließ mich nieder sinken. 

Es hatte eine Weile gedauert, bis Gunnar bemerkte, dass ich nicht mehr im Haus war.  Er dachte, ich hätte mich schlafen gelegt. Alldieweil der Vormittag bereits zu anstrengend für mich gewesen war.
Niemand wusste wo ich  mich aufhielt. Ich ebenso wenig. Ich lag dort im Gras, starrte vor mich hin und war nun bewegungsunfähig.
Möglicherweise war ich bereits nach Schweden zurück gelaufen. Wo ich in diesem Augenblick am aller liebsten hätte sein wollen.
Nach etwa einer Stunde hatte man erst begonnen mich zu suchen. Nur wo?
Ich vermag nicht zu sagen, wie lange ich auf dem Boden hockte und von weitem Rufe an mein Ohr drangen. „R-e-a. R-e-a. Wo bist du?“
Marie hatte natürlich nichts von unserem Streit erwähnt. Sie gab sich ahnungslos. Wie unverschämt und schändlich von ihr.
Es mussten zwei oder drei Stunden vergangen sein, bis mich Gunnar schlussendlich fand und den gesamten Weg zurück zum Haus auf seinen Armen trug.
Als ich aus meiner Starre erwachte, bekam ich Panik.
Gunnar wusste genau was zu tun war, wenn mich eine derartige Attacke heimsuchte. Er hielt mich und ich krallte mich an ihm fest.
Es hatte bereits begonnen zu dämmern, als ich das Schlafzimmer um mich herum wahrnahm und mein Hirn so allmählich rekapitulierte, was geschehen war.
Urplötzlich packte mich unsägliche Wut. „Wo ist sie?“, begann ich zu schreien. Ich befreite mich aus Gunnars Armen und rannte durch die Zimmer des Hauses, bis ich Marie auf der Veranda fand. Gunnar war stets einige Meter hinter mir. Mischte sich jedoch in meine Suche nicht ein. Er hielt mich erst dann zurück, als ich auf Marie zustürmte und sie am Kragen packen wollte. Wobei ich ohnehin den Kürzeren gezogen hätte. Sie ist mir an Stärke um einiges überlegen. (Wie konnte ich mich nur in dieser Weise gehen lassen?)
Gunnar setze sich mit mir Marie gegenüber und hielt mich weiterhin fest in seinem Arm. Adam hatte  in der Zwischenzeit neben Marie Platz genommen.
„Wir müssen diese Geschichte jetzt klären, und zwar ein für allemal.“, sagte Gunnar.
Adam nickte. Marie starrte mich an.
„Ich will nach Hause!“, begann ich einen trotzigen Satz auszuspucken.
„Nein. Nicht bevor dieser Zwist geschlichtet ist und ihr euch vertragt.“
„Dann werfe ich sie raus!“
Marie rollte mit den Augen.
„Sie soll gehen und ihre verdammten Bälger mit sich nehmen. Denn sie glaubt, ich wolle sie ihr stehlen. Und du“, ich wendete meinen Kopf nach links und sah Gunnar an, „kannst sogleich mit ihr gehen. Sie wird ohnehin nicht eher Ruhe geben, bis sie dich für sich gewonnen hat. Schlug sie doch bereits einen Partnertausch vor. Mir würde dergleichen nicht im Träume einfallen. Insbesondere, wenn es um eine langjährige Freundin geht.“
Ich sah, wie Marie schluckte.
Gunnar hatte bereits nach Luft geschnappt. Jedoch Adam ergriff nun das Wort.
In ruhigem Ton erklärte er Marie, dass sie jetzt und hier ihre letzte Chance hätte sich für ihn zu entscheiden. Würde sie weiterhin so derart verletzend zu ihm sein, weil sie ihn offensichtlich nicht wirklich liebe, sähe er sich gezwungen umgehend nach Kanada zu reisen.
Sie begann zu wimmern und Adam zu beschwichtigen. Hätte ihm doch schon längst erklärt, um was es hier ging. Es wäre eine Sache zwischen mir und ihr, die bereits seit langer Zeit in ihr gärte.
„Was nichts daran ändert, dass du am liebsten mit Gunnar und nicht mit mir zusammen wärst.“, sagte Adam.
„Das ist nicht wahr. Das behauptet diese Schlange andauernd. Sie legt mir die Worte in den Mund.“
Ich hätte sie verraten können. Adam von Felicio und dem finnischen Rockmusiker plaudern können. Tat es nicht, weil dergleichen Infamitäten nicht zu meinem Repertoire gehören.
Gunnar schmunzelte. „Vielleicht erinnerst du dich daran, dass sie von Damballah tatsächlich erwählt und besessen war. Also sei vorsichtig mit dem, was du sagst.“
„Was?“, fragte ich verwirrt.
„Warum bekommt SIE nur alles, diese Schlampe. Sie hat keine Ahnung vom Voodoo, doch Damballah erwählt sie. Wie kann das sein?“
„Das liegt einfach daran,  dass sie noch nicht erwacht ist. Nicht weiß, dass wir bereits  als Priester und Priesterin in Atlantis lebten.“, erklärte Gunnar.
„Ahh. Ihr mit euren Phantastereien.“, fauchte Marie.

Ihre Mutter Ruby Jane hatte sich bis dahin zurückgehalten und in die Streitigkeiten nicht eingemischt.  Nun kam sie zu uns auf die Veranda und stellte sich direkt vor Marie. Sie erhob den Zeigefinger und ihre Stimme: „Gott sieht deine Verfehlungen und wird dich richten.“
„Verschwinde. Geh mir aus den Augen Mutter und stecke dir deinen beschissenen Gott sonst wohin.“
Völlig bestürzt ob Maries Gottes lästernde Worte, wollte sie von neuem beginnen sie zu belehren. Adam stand auf und nahm sie sanft beiseite. Beruhigte sie und führte Ruby Jane ins Haus zurück.
Als er zurückkam, postierte er sich vor Marie und erwartete eine eindeutige Antwort von ihr.
Natürlich versicherte sie ihm ihre Liebe, und ICH wäre die Verleumderin. Nichts anderes.
Nun schaltete sich Gunnar ein, bei welchem ich mich meinerseits entschuldigt hatte.
„Marie.“, begann er eindringlich. „Ich sprachen bereits darüber, warum wir damals und in dieser Weise miteinander schliefen. Es hatte nichts mit Liebe zu tun. Ich mag dich. Daran besteht kein Zweifel. Aus diesem Grund gab ich dir das Gefühl von mir geliebt zu werden, währenddessen wir Sex hatten. Du solltest dich so wohl wie möglich fühlen, um zu empfangen. Adam und Erik waren sicherlich nicht minder einfühlsam mit dir.“
„Ihr benutzt mich doch nur als eure verdammte Leihmutter!“, gab sie noch immer nicht nach.
„Was willst du Marie?“, wurde Gunnar strenger. „Du hast einen Mann der dich liebt. Mich bekommst du sicher nicht. ICH liebe Rea. Das weißt du.“
Schon war ein unbedeutender Anflug von Schmoll in ihren Zügen, die sie jedoch rechtzeitig glättete, damit Adam es nicht sah und sie sich in seinem Beisein nicht selbst widersprach.
„Trotz alledem möchte ich dich um etwas bitten Marie.“, sprach Gunnar weiter. „Gleichgültig was du auch immer glaubst, dass Rea Dir antat, verzeihe ihr.“
Adam, der in der Zwischenzeit neben ihr Platz genommen hatte, sah sie erwartungsvoll an.
Marie  schien innerlich mit sich zu ringen. Was man ihr förmlich ansah.
„Ich möchte, dass ihr wieder Schwestern seid. So wie ihr es vorher einmal ward. Ihr werdet euch beide liebevoll um die Kinder kümmern. So wie wir. Es gibt keinerlei Anlass für Eifersüchteleien. Im Grunde ist alles in Ordnung, genau SO wie es ist. Nur du Marie, solltest dich endlich besinnen.“ Sein durchdringender Blick traf sie. Sie senkte den Kopf.
„Wir werden ohnehin nur noch einige Tage hier sein.“
Bei diesen Worten sah ich Gunnar erstaunt an.
„Was ist?“ Er sah zu mir herüber und grinste. Ich lächelte zurück.

Es war spät geworden. Ruby Jane hatte noch einige Köstlichkeiten kredenzt. Ich war unbeschreiblich müde. Konnte mich kaum noch aufrecht halten. An Sex war ohnehin nicht zu denken.

Zum Abschluss des Tages, bevor wir in unsere Schlafgemächer aufbrachten, bestanden die beiden Männer darauf, dass Marie und ich uns umarmten.
Ihr schien es nicht wirklich leicht zu fallen. Mir tat es hingegen gut Marie so nahe zu sein und ganz ins geheim hoffte ich natürlich, dass sie sich tatsächlich (und das möglichst zügig) mir gegenüber erneut wie eine Freundin verhielt. Ich hatte sie nicht verraten. Ihr trotz aller Niederträchtigkeiten wieder und wieder meine Freundschaft offeriert.
So war es ein guter Anfang an diesem Abend, wie ich fand, dass sie mir für einige Minuten Óðinn Aron in den Arm legte.
Die Männer schmunzelten ob dieses augenscheinlichen Vorschrittes.

-------

Ich war mir nicht sicher, ob diese trügerische Wende Bestand haben würde.
Zu meinem aller größten Erstaunen kam Marie heute Morgen als erstes auf mich zu und umarmte mich erneut. „Es tut mir leid.“, sagte sie leise. „Ich ließ mich gehen. War neidisch auf dich. Verzeih. Es stimmt, was du sagtest, dass du stets alles mit mir teiltest. Sogar deine Männer.“
Bei diesem Satz trat ich einen Schritt zurück und sah sie prüfend an.
Sie lächelte mich an, als wäre nie etwas geschehen.
Amazing. 
Dennoch ist mein Misstrauen in keinster Weise getilgt.