Sonntag, 21. Juli 2013

Vernünftiges und Unvernünftiges



Meine Haare sind nun wieder goldgelb-narzissgelb-beige. Beinahe wie meine ursprüngliche Haarfarbe. Länge und Dichte sind zur Genüge respektabel. Es ist nicht nötig, dass sie durch Röte glänzen. Diese Farbe schien ohnehin etwas zu signalisieren, dass ich nicht mehr bin. Dann doch eher wieder „konservativ“.

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„Sie will mit mir ficken.“, sagte Gunnar trocken und grinste mir entgegen, als er mich zum Lunch abholen kam.
„Wer?“, fragte ich entgeistert.
„Claire.“
„Ach. Du nennst sie jetzt bereits bei ihrem Vornamen?“ Ich funkelte ihn an.
Er lachte. „Sie passte mich ab, als ich das Office verließ und begleitete mich diese hundert Meter bis hier her.“ Gunnar schüttelte mit dem Kopf. „Sie verlor wenig Zeit. Kam gleich zur Sache. Erstaunlich.“
„Erstaunlich?“, wiederholte ich als Frage sein letztes Wort. „Wirst du ihr Angebot annehmen?“
„Natürlich nicht.“ Gunnar leckte sich die Lippen und lächelte spitzbübisch. „Sie ist aber schon ein reizvolles Ding.“
Ich ging auf ihn zu und schlug ihn auf die Brust. „Du!“
Er hielt meine Hand fest, küsste mich auf die Lippen und drückte mich an sich. „Was ist? Eifersüchtig?“
Ich löste mich aus seiner Umarmung und sah ihn an. „Sollte ich? Oder sollte ich dir doch viel lieber vertrauen?“

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Gunnar ging nach dem Lunch zurück ins Office und verließ mich etwa gegen zwei. Ich hatte ihn gebeten,  mich nicht über Nacht allein zu lassen. Möglicherweise doch noch am Abend oder in dieser Nacht zurück zu kommen.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich kann dir nichts versprechen. Bitte sein nicht böse. Meine Mutter ist in der Nähe, und Thomas. Sarah ebenso. Sollte während meiner Abwesenheit etwas Unvorhergesehenes geschehen.“
Ich nickte.
Mein Magen begann zu rebellieren. Unvernünftiger Weise war ich meinem Appetit, anstatt meinem Verstand gefolgt. Hatte meine geliebte Thai-Suppe verschlungen. Vom Melonen-Hai gegessen und obendrein verging ich mich noch an einem Vanilleeis mit Waldmeister Soße.

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Am Nachmittag saß ich auf der Veranda und dachte darüber nach zu Troels nach Stockholm zu fahren. Tat es jedoch nicht. Merkwürdiger Weise war es mir danach allein zu sein. Ich surfte im Netz. Sah mir ein Tennisspiel im Livestream an und gab meinem Magen mit einem Kaffee Latte nun einen Grund zum meckern. Was für ein Genuss! Der erste Kaffee seit Wochen. Was selbstredend eine Ausnahme war.
So vergingen vielleicht zwei oder drei Stunden. Welche ich beinahe meditativ in mein Notebook starrte.
Ich schreckte förmlich auf, als jemand an den Holzpfosten der Veranda klopfte. Es war Mario und noch ein anderer Mann. Welcher mir früher bereits einige Male begegnete, als ich noch mit Felicio liiert gewesen war. Er ist Italiener und ebenso ein Sportler wie Mario und Felicio. Ich bat sie Platz zu nehmen.
Wir redeten eine Weile über Sport und das Leben. Ich gab mich interessiert und bemerkte selbst kaum, wie mein Blick, rein instinktiv Fabio fixierten. Er ist in der Tat ein ansehnlicher Mann. Schmeichelt meinen Augen. Jedoch nur wenige Zentimeter größer als ich.
Ich mag keine kleinen Männer!
Allerdings SEIN offensichtliches Interesse an mir war ebenso kaum zu übersehen.
Mario grinste. „Lass es sein. Sie steht nicht auf zierliche Männer. Mag eher die muskulösen Bodys ab eins achtzig, Mindestmaß.“

Wir speisten noch gemeinsam zu Abend. Ich verabschiedete mich und ging auf dem Rückweg nach Jason Anekelea Ausschau halten. Sah ihn bedauerlicherweise nicht. Traf jedoch Sarah. „Nein. Ich brauch sie heute nicht.“, sagte ich zu ihr. Sie begleitete mich dennoch zum Haus.
Um nicht schweigend nebeneinander her zu gehen, bot ich Sarah an mich zu duzen. „Wenn wir zukünftig des Öfteren zusammen sein werden, ist das Du durchaus angemessen.“
Sie lächelte und nickte mir zu.

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Genau genommen hatte ich nicht wirklich die Absicht Gunnar zu betrügen. Warum? Es war mir nicht danach mit einem anderen Mann zu ficken.
Eigenartig.
Gewöhnt man sich tatsächlich an den „einen Mann“? Seinen Mann?

Letztendlich hätte ich ebenso gut die Abendveranstaltung des Zentrums besuchen können. Blieb aber dann doch allein mit meinem Notebook und dem Fernsehprogramm.

Ich mochte nicht allein zu Bett gehen. Hatte Kopfschmerzen. Wartete auf Gunnar in der Hoffnung, dass er doch noch am Abend zurück käme und schlief auf der Couch vor dem Fernseher ein. Wo mich Gunnar vorfand und zu Bett trug.
Er kam unerwartet früh. Es muss so etwa gegen ein gewesen sein.
ICH jedenfalls, war darüber glücklich.

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Wir waren kurz nach dem Sonnenaufgang erwacht. Es war noch zu früh zum Frühstücken, und so blieb uns Zeit für: Sex am Morgen. Zwischen Energieübungen, Imagination und dem gemeinsamen Qi Gong.

Dann sogleich zwei Unmöglichkeiten zum Frühstück im Restaurant.
Ich weiß genau, warum ich mir viel lieber die Speisen zum Haus bringen lasse.
Siv. Sie hatte Sonntagmorgendienst, gerade gespeist und war im Aufbruch. Kam jedoch zu uns an den Tisch. Begrüßte Gunnar mit einem Küsschen recht und einem Links. Nickte mir kurz zu und nahm schlicht und einfach an unserem Tisch Platz ohne die Höflichkeitsfrage zu stellen, ob dies gleichwohl genehm wäre.
Sie sprach ungeniert mit Gunnar. Lachte frei und laut heraus. Klopfte mit der Hand auf den Tisch wie ein Mann und Gunnar senkte währenddessen eher betreten den Kopf. Wagte jedoch keinerlei Kritik an ihrem Benehmen.
„Noch immer keine Wohnung in Stockholm?“, mischte ich mich ins Gespräch ein.
„Ah! Sieh mal einer an.“ Sie wandte sich mir zu. „Sie will mich loswerden.“, bemerkte sie frech und beinahe herausfordernd.
Als Antwort bedachte ich sie mit einer abwertenden Geste.
Im nächsten Augenblick gesellte sich die nächste Konkurrentin hinzu. Claire.
Ihr Verhalten war an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Sie schien ebenfalls keine Anstandregeln zu kennen. Sprach Gunnar an und setzte sich schlicht und einfach auf den Stuhl, welcher Gunnar am nähesten stand.
Gunnar sah Siv an. Mit einem Seitenblick zu mir.
Siv sah Gunnar an. Stand auf und baute sich demonstrativ direkt vor Claire auf.
„Hey Kindchen! Der Kerl gehört uns.“ Sie tat noch einen weiteren Schritt auf Claire zu. „Verschwinde und lass ihn in Ruhe! Kapiert!?“
Gunnar schmunzelte leicht. Ich ebenso.
Wer hätte gedacht,  dass ich dieses eine Mal nicht wirklich unglücklich darüber war, dass Siv die „Zügel in die Hand nahm“.