Dienstag, 18. März 2014

Doch nicht allein



Da Gunnar nun für einige Tage fort ist, wähne ich das Jammern seiner Konkubinen zu hören.
„Ich rufe dich an.“, hatte er noch gegen seine Gewohnheit versprochen, bevor er ging.

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Natürlich verbrachte ich den Vormittag im Netz. Anstatt zu lernen oder meinen täglichen Übungen nachzukommen. Jedoch gedachte ich mich abzulenken, vom beständigen, Nerven zerreißenden Kribbeln der Haut. Ich hoffe, es wird sich legen. Wenn nicht, würde das bedeuten den Koffer erneut zu packen und mich ins Hospital einweisen zu lassen. Jedoch erhöhte ich zuvor die Medikation und es gab mir tatsächlich Erleichterung, sodass ich zumindest zu schlafen vermochte.

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Troels rief mich am späten Vormittag an. Hatte versucht seine Arbeit mit einer zweitägigen Reise nach Göteborg zu verbinden, die wir gemeinsam hätten genießen können. Bedauerlicher Weise gelang es ihm nicht sich dafür zu prädestinieren. Stattdessen trat einer von Troels Parteigenossen die Reise an. Im Nachhinein bemühte er sich, wenigstens ein oder zwei Tage Urlaub zu bekommen. Was bis zum gestrigen Abend in den Sternen stand.
In jedem Fall dachte ich zu dieser Zeit, es wäre besser über „weitere Optionen“ nachzudenken.
In diesem Zusammenhang kam mir der Gedanke nach Berlin zu fliegen. Jedoch erschien mir diese Maßnahme zu aufwendig für das zu erwartende, doch eher geringe Ergebnis. Womöglich hätte ich nicht einmal die Gelegenheit Kevin überhaupt zu sehen. Und trotz aller „Bedürftigkeit“ verspüre ich keinerlei Verlangen meine Eltern zu besuchen.

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 Befindlichkeiten: 
Kein Wunder, wenn die Nerven verrückt spielen. Es war zu warm, zu aufregend, zu stressig. Zu viel tierische Fette, womöglich noch verstecktes Ei in den Speisen und immuntherapeutische Medikamente, die jedoch Darm und Magen heilen. Dazu noch der Mond in der Jungfrau. Und Gunnar ist nicht hier. Verlässt mich schlicht und einfach und ruft natürlich, trotz seines Versprechens, bislang NICHT an.
Nun, mag sein, dass die erhöhte Medikation und vor allem die Meditation ein wenig Abhilfe schaffte. Aber so gänzlich überstanden ist diese neuerliche, kritische, gesundheitliche Situation noch längst nicht.

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Am Nachmittag hatte ich Ryan angewiesen Jason bei mir vorbeikommen zu lassen. Er kam stattdessen jedoch selbst und grinste.
„Wo ist Jason?“, fragte ich ärgerlich.
„Ich dachte, ich kann dir genauso helfen.“
Ich schnaufte. Nein zu sagen, wäre beleidigend gewesen. Also ließ ich es.
„Es ist nicht mehr wichtig. Ich gehe zu Sarah.“
Mit enttäuschtem Gesicht wendete er und ging. Natürlich ging ich nicht zu Sarah. Aber mit Ryan zusammen zu sein, verlange es mich nicht!
Hatten sich jetzt allesamt gegen mich verschworen?

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Letztendlich kam Troels doch noch zu mir ins Zentrum. Hatte seiner Anette Lügen aufgetischt. Er wäre nach Göteborg geflogen.
Ich vermag nicht zu sagen, bei Troels idealistischer Ehrlichkeit, wie lange er diese Täuschung noch erträgt. Denn genau genommen betrügt er sie mit mir.
Andererseits weiß auch ich nicht, wie ich längerfristig dazu stehen soll.
Nichtsdestotrotz war ich zufrieden, wenigstens nachts nicht allein zu sein. Sex gab es keinen. Ich schlief lediglich in seinen Armen ein.
Troels wird bis Mittwochabend oder Donnerstagmorgen hier bei mir verweilen. Was nebenbei bemerkt seinen Bruder Mads erfreut. Und selbstredend bereits die Runde macht. Infolgedessen kann ich getrost Arm in Arm mit ihm spazieren, oder zum Restaurant gehen. Da es ohnehin schon alle wissen.
Nichtsdestotrotz war mir am gestrigen Abend nicht wirklich nach weiterer Gesellschaft zu mute und wir aßen im Haus.
„Bekommst du auch keine Schwierigkeiten mit deiner neuen, alten Freundin?“, fragte ich Troels tatsächlich besorgt.
„Nein. Es ist alles geregelt. Was ist mit Gunnar? Er wird es erfahren.“
„Er wird es ohnehin bereits wissen. Ich denke, dass es ihn nicht weiter stört. Kannst du dich erinnern? Er hat mich sogar zu dir gebracht, als er das letzte Mal verreiste.“
„Was ist ihm denn so wichtig, dass er dich verlässt?“
Ein kühles, zynisches Lächeln huschte über mein Gesicht. „ Angeblich modelt er an Marokkos Küste.“
„Aber?“ Troels hatte die Brauen weit nach oben gezogen und sah mich abwartend an.
„Ich vermute, gleichwohl er nicht umgehend vorige Woche verreiste, dass er zu Zuckerfötzen nach Paris flog, und nicht wie er sagte nach Casablanca.“

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Ich fühlte mich so zerbrechlich am gestrigen Abend. Wie Porzellan. So dünnhäutig wie eine frisch geschlüpfte Schlange aus dem Ei. Bedurfte jemandes, der mich hält.
„Entspann dich.“, sagte Troels zu mir mit ruhiger Stimme und sah zu mir herüber. „Deine Muskeln sind nicht locker. Bemerkst du das nicht? Du brauchst Ruhe. Stille und Abstand von allem was dich stresst. Auch“, bei diesem Worte sah er mich lächelnd an, um den Kommenden mehr Gewicht zu verleihen, „von eifersüchtigen Gedanken.“
„Ja. In der Tat. Das ist wahr. Gunnar tut so wie so was er mag. Infolgedessen habe ich das Recht es ihm gleich zu tun.“
Wir redeten noch eine lange Weile und ich erzählte ihm von meinen gesundheitlichen Problemen.
„Dann muss ich ganz besonders auf dich achten.“, sagte er lächelnd, umarmte mich und zog mich hinter sich her in Richtung des Bettes.

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Heute Morgen gingen wir gemeinsam frühstücken und anschließend zur Massage. Troels entschloss sich für die asiatische Variante und ich bevorzuge die Ayurvedische.
Überdies gab es noch etwas im Office zu klären, das sich bedauerlicher Weise bis in die Lunch-Zeit hinein zog. So komme ich erst jetzt zum Schreiben.
Obendrein darf ich nun drei Tage (Karenzzeit) bangen. Alldieweil mich eine Frau von der Seite anhustete. Bei meinem ohnehin schon chaotischen Immunsystem. Genau solche Art Stress und Besorgnis kann nicht mitnichten gebrauchen!