Mittwoch, 16. Dezember 2015

Eine Aufwartung und ehrliches Mitgefühl


Während ich mit Derek zu Mittag speiste, nahm mich ihn kaum wahr. Bis er schließlich eine Frage von sich gab.
„Du denkst an Gunnar. Nicht wahr?“
„Ja.“ Antwortete ich Gedanken versunken. „Vielleicht werde ich am Nachmittag nach Stockholm fahren.“

------------------------

Im Hospital wollte man mir telefonisch keinerlei Ausruft geben, wie es Alexa ging. Infolgedessen besuchte ich sie. Allein. Nur Josh, als mein Bodyguard, begleitete mich. Er, blieb jedoch vor der Tür. Und ein wenig Hoffnung Gunnar dort anzutreffen, war ebenso dabei.
„Wie geht es Dir?“, fragte ich selbstverständlich und war besorgt. Was mitnichten geheuchelt war.
Ihr Gesicht zeigte Verdrießlichkeit. Dennoch schien sie sich zu freuen, mich zu sehen.
„Ich habe das Kind verloren. Weiß du.“, sagte sie mit fast teilnahmsloser Stimme.
Ich stand da wie versteinert und mein Mund blieb offen. Obgleich ich es mir doch gewünscht hatte, war ich nun, angesichts ihres Leids, doch schockiert. Ich hatte tatsächlich Mitgefühl......mit ihr.
„Das tut mir leid.“, sagte ich und wusste nicht, was ich NOCH hätte sagen können. Schließlich konnte ich sie, in derlei Lage, nun nicht noch bedrängen und sogleich nach Gunnar fragen. Dennoch startete ich einen diplomatischen Versuch.
„Wie nimmt es Gunnar auf?“ Leise, ganz leise und teilnahmsvoll hatte ich diese Frage formuliert. Wagte kaum, sie anzusehen, während ich auf die Antwort wartete, die nicht kam. Stattdessen begannen ihr Tränen aus den Augen zu fließen.
„Ich hatte mich so gefreut, ihm ein Kind schenken zu können.“ Darauf erwiderte ich nichts. Sie redete schluchzend weiter. „Als man Gunnar sagte, was geschehen war, schien er außer sich zu sein. Nach außen hin blieb er ruhig. Doch innerlich brodelte es in ihm. Seine Augen blitzten. SO hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich glaube, er beginnt selbst zerstörerisch zu handeln.“
„Wie kommst du darauf?“
„Er hatte sich betrunken, kam hier vorbei. War nicht einmal rasiert. Stank nach Alkohol und antwortete mir nicht, als ich ihn fragte, wo er gewesen sei.“
Ich räusperte mich. „Womöglich in einer Bar?“
Alexa sah mich an und ich dachte schon, sie würde auf mich wütend werden. Der Blick, den sie mir sandte, schien dennoch ein wenig anklagend zu sein. Als wolle sie sagen, ist es nicht DAS, was DU dir wünschtest? Dass ich das Kind verliere.
Nun war ich in der Tat verlegen und senkte meinen Kopf. Sah eine ganze Weile lang zu Boden. Beobachtete sie jedoch aus dem Augenwinkel.
Dann beschämte sie mich obendrein noch mit ihrer Großzügigkeit und Herzenswärme.
„Ich nehme an, die Situation wird dir nicht unrecht sein.“, sagte sie nun etwas gefasster. Dennoch ohne Zorn. Ich horchte auf und vermutete, dass sie im nächsten Augenblick erneut in Tränen ausbrach. Was ich durchaus verstanden hätte.
Ich vermag vermutlich nicht einmal annähernd zu verstehen, wie groß ihr Schmerz, ein Kind verloren zu haben, sein muss. Und, sie schien zu wissen, dass es mein Wunsch gewesen war, (sie auszulöschen!) dass ich wollte, dass sie ihr Kind verliert. Dennoch schien es so, als sei sie mir nicht gram. Was ich eigenartig fand.
Nun, genau genommen war es gleichwohl nicht MEINE Schuld. Wenn überhaupt jemandem eine Verschulden zugeschrieben werden konnte, dann Gunnar und seinem zu harten Sex. Deshalb sprach ich dieses Thema gleichwohl gänzlich ungeniert an.
„Alexa“, es war das aller erste Mal, dass ich sie so direkt bei ihrem Namen nannte, „WISO hast du es zugelassen, dass Gunnar mit Dir sadomasochistische Spiele treibt, wo doch sein Kind in deinem Bauch wächst?“
Sie schnaufte. „Ich wollte, dass er glücklich ist.“ Sie nestelte nervös mit ihren Finger am Bezug ihrer Decke und sah mir nun direkt in die Augen. „Und SO schlimm war es nicht. Er war trotz alledem sehr liebevoll. Fragte immer wieder nach, ob es mir gut dabei ginge.“
Dann ein fast verzweifelter, ängstlicher Blick. „Denkst du wirklich, dass dies die Ursache ist?“
Ich nickte. „Hattest du mit den Ärzten wenigstens darüber gesprochen?“, fragte ich sie.
Sie war entsetzt. „Selbstverständlich nicht!“, rief sie aus. „Gunnar würde das nicht wollen.“
OHHJE! Sie ist in der Tat über die Maßen in meinen Ehemann verliebt! Scheint ihm sogar hörig. Was nun aller Wahrscheinlichkeit nach bedeuten kann, dass ich zukünftig weiterhin mit IHR rechnen muss (als meine Rivalin). (Das Mitleid schwand ein wenig.)

War dieser Zwischenfall, dieses entsetzliche und leidvolle Geschehen für mich nötig, um Alexa näher zu kommen? Meine Eifersucht einmal beiseite zu legen und meinen Hass auf sie zu dämpfen (zu unterdrücken)? Denn SIE schien mir trotz alledem noch immer wohl gesonnen.
Andererseits dachte ich nicht vordergründig an mich. Sondern sehr wohl an Alexas Leid und vor allem an Gunnar, meinen Ehemann. Versetze mich in seine Lage, wie ER dies alles womöglich empfand. Gerade für ihn musste es gleichermaßen fürchterlich sein. Deshalb, offensichtlich sein anscheinender Zusammenbruch. Denn SO, wie jetzt, hatte auch ICH Gunnar noch nie erlebt. (Vorausgesetzt, dass Alexa mir die Wahrheit sagt!) Allerdings implizierte sein Verhalten, dass er Alexa tatsächlich liebt. Sonst, wäre es ihm vermutlich einerlei. Ich erinnere mich an dieser Stelle an Zuckerfötzchen. Bei ihr war es ausschließlich sexuelle Leidenschaft. Nicht mehr. Nur jetzt, mit Alexa, schien der Fall gänzlich anders zu liegen. Was mich nun im Grunde wieder traurig stimmte. Musste ich Gunnar tatsächlich mit Alexa teilen?????
Was bleibt mir anderes übrig? Dann muss ich SIE wohl oder übel ertragen.
Nur wähnt mir, dass ich so derart einsichtig nicht (auf Dauer) sein kann.
Und gerade in diesen grauenvollen Momenten, vermochte ich ihr NICHT böse zu sein. Ich sah das Leid in ihren Augen und hatte Mitgefühl mit ihr. Nach wie vor. Vielleicht würde ich sie sogar einmal umarmen. NUR, bedeutete es ihr etwas?
Nichtsdestotrotz tat ich es. Ich ging die wenige Schritte auf sie zu. Legte meinen Mantel ab. Beugte mich zu ihr hinunter und umarmte sie. Drückte sie an mich und strich ihr sanft über den Rücken.
Sie schien gerührt. Tränen standen ihr wieder in den Augen. Als ich mich von ihr lösen wollte hielt sie mich fest und zog mich noch einmal zu sich hinunter. Drückte mich noch an mal an sich und flüsterte mir ins Ohr: „Danke, dass du hier her gekommen bis, um mich zu besuchen.“
Nun, so uneigennützig war das nicht.
Ich selbst hätte nie gedacht, dass ich sie hätte umarmen könnte!!!!
In ihrem Blick lag noch immer das Erstaunen und dann........lächelte sie mich freundlich an.
Ich lächelte zurück. Eine kurze, schweigsame Pause entstand. Ich setzte mich neben sie auf einen Stuhl.
„Hat DIES erst geschehen müssen, dass wir beide uns auf offene und ehrliche Weise ein wenig freundschaftlich näher kommen?“, sagte sie mit einem Mal zu mir diese Worte, die kurz zuvor noch durch mein Hirn gewabert waren.
Was für eine Zusammenfassung (der Situation!). Ich musste lächeln. Sie dachte genau....wie ich.
Gunnar sah ich nicht.

Anschließend fuhren Josh und ich zum Apartment, wo Gunnar ebenso wenig war, und dann zurück zum Zentrum.
Ich danke Josh für seine Begleitung und bevor ich zu Derek ging, ließ ich mich massieren.
Im Büro waren nur noch Thomas, Derek und Imara. Während ich eintrat, nahm ich  eine eigenartige Stimmung wahr. Sollte ich fragen?
„Was ist los?“, vermochte ich nicht an mir zu halten. „Gibt es etwas Neues?“
Die Anwesenden taten unbeteiligt und verneinten. Gingen ihrer Arbeit nach. Nur Derek kam auf mich zu und gab mir einen Kuss. „Wir können gehen.“

--------------------------------

Ich war ein wenig rastlos. Wieder und wieder versuchte ich Gunnar zu erreichen. Nichts!
„Lass es doch sein. Er wird sich melden, wenn es ihm besser geht.“ Sagte Derek dann zu mir.
„Du hast Recht.“, antwortete ich ihm und legte das iPhone zur Seite.
Ich wusste, dass ich nichts tun konnte. Wenn Gunnar nicht gefunden werden wollte, fand ich ihn nicht.

-------------------------------

Geruhsamer, angenehmer Sex heute Morgen mit Derek. Genau, wie am gestrigen Tag. Er ist einfach zauberhaft, sanft und liebenswert.
„Schau’ mal. Was ist denn das?“, sagte Derek, nach er sich aus dem Bett gepellt hatte und in Richtung Bad unterwegs gewesen war. Er lief ums Bett, bückte sich ein wenig und kniff die Augen zusammen.
„Was?“, fragte ich.
„Schlafwandelst du vielleicht?“ Er blieb ernst, was mich erstaunte.
Ich grinste. „Du willst mich doch nur veralbern. Oder?“
Er richtete sich auf und sah mich an. „NEIN! Sieh’ doch einmal her.“ Derek wies mit seiner Hand auf den Boden.  „Das sieht aus, als wäre jemand hier gewesen und ums Bett gelaufen.“
Nun war auch ich neugierig geworden, schob die Decke beiseite und stieg aus dem Bett.
Tatsächlich. Da lagen Erde und kleine Steine rund ums Bett. „Das sieht aus, als seien es Fußspuren.“, mutmaßte ich.
Nun begann meine Atmung schneller zu werden. Ich hechelte. Mir drehte es im Kopf. Mein Herz pochte wie wild. Angst breitete sich in mir aus. Eine Panik-Attacke bahnte sich an.
Ich griff nach Dereks Hand. „Hilf mir! Derek! Hilf mir!“, quetschte ich noch heraus und ging auf die Knie.
„Oh Gott! Nein.“, hörte ich Derek sagen und fühlte, wie er mich hielt.
Als ich wieder einigermaßen zu mir kam, saß ich auf der Couch. Derek neben mir. Er hielt meine Hand und ließ mich nicht aus den Augen.
„Geht’s wieder?“, fragte er besorgt und zog die Brauen zusammen.
Mein Atem ging ruhiger. „Es war jemand hier. Nicht wahr?“, stellte ich fest.
Derek zuckte mit den Schultern. „Ich war jedenfalls NICHT draußen, gestern Abend und wenn du es nicht warst......“
„Ich werde Ryan fragen, ob man etwas gesehen hat.“
Infolgedessen ging ich nach dem Frühstück zum Chef des Sicherheitsteams und Derek ins Büro.

-----------------------------------

Ryan strahlte bis über beide Ohren. Schien glücklich mich zu sehen.
Ich sah....die Monitore und erinnerte mich an die Arbeit der beiden Detektive, die ich angeheuert hatte, um Gunnar beschatten zu lassen. Wie waren noch mal ihre Namen? Ich hatte es vergessen.
Ach nein. Ich erinnerte mich. Hannes Habermann und Vincente Wagenknecht.
„Was, oder wem verdanke ich die Ehre deines Besuches?“ Rayn grinste.
Ich berichtete ihm, was wir heute Morgen in meinem Haus, in meinem Schlafzimmer, an meinem Bett, entdeckt hatten. Er kümmerte sich umgehend darum. Rief die betreffenden Männer an, die heute Nacht ihren Dienst verrichteten.
„Und?“, hakte ich nach. „Hat man etwas bemerkt?“
„Hmmm. Nichts besonderes, würde ich sagen.“
„Was bedeutet das?“
„Gunnar wäre ihnen heute Morgen, so gegen fünf Uhr, an eurem Haus begegnet.“
Ich schluckte und hüstelte kurz. Ups! „Gunnar?“
„Ja. Und?“
„Okay. Okay. Und sonst nicht weiter Ungewöhnliches?“
„Nein.“
„Ich danke dir.“
Ryan kräuselte die Stirn und sah mich fragend an. Ich wendete mich ab und ging....zu Derek ins Büro, um ihm zu berichten. Auf dem Weg dorthin, winkte mir Sarah Sjögren zu. „Rea. Warte doch mal.“
Ich ging zu ihr hin. Sie tat verschwörerisch....wie stets in solchen Momenten. Es ist schlicht und einfach ihre Art.
„Gestern Nacht hat das Licht im oberen Stockwerk des Bürogebäudes gebrannt und man erzählt sich, deinen Ehemann heute Morgen gesehen zu haben, wie er um euer Haus geschlichen sei.“
DAS erklärte jetzt alles und bestätigte die Aussage der Diensthabenden Sicherheitsleute. Also war Gunnar tatsächlich HIER gewesen. Allerdings, das Beängstigende daran war, dass er in unserem Haus und um mein Bett geschlichen ist wie ein Dieb in der Nacht. WAS, in der Götter Namen, sollte das? Bitteschön! Genau genommen hatte ER jedes Recht DORT zu sein. WARUM hat er mich nicht geweckt???
Andererseits, war er womöglich in seinem Spielzimmer über dem Büro mit wer weiß wem gewesen und hat wer weiß was getan. Wollte sicherlich NICHT, dass ICH davon erfuhr und dass er überhaupt hier gewesen war. Trotz alledem verstand ich sein Verhalten nicht. Ihn JETZT hier zu suchen, wäre sicherlich nicht mehr von Erfolg gekrönt. Also rief ich ihn an. Und wieder.....nichts.
Okay. Dann musste es eben Alexa sein. Aber auch sie hatte ihn seit gestern Morgen nicht mehr gesehen. Eigenartig. War er etwa abgestürzt?